Doireann Ní Ghríofa: Ein Geist in der Kehle

Rezension von Janina Buschmann in der Kategorie Buchtipps

„Dies ist ein weiblicher Text, geschrieben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Wie spät es ist. Wie viel sich verändert hat. Wie wenig.“

„Caoineadh airt uí laoghaire“ , „Klagelied für Art Ò Laoghaire“ heißt das Gedicht, dass diesen Roman in Gang gesetzt hat. Es ist ein Gedicht, dass Doireann Ní Ghríofa bereits aus ihrer Schulzeit kennt, das aber erst Jahre später mit solcher Wucht in ihr Leben einschlägt, dass sie an nichts anderes mehr denken kann. Zu Beginn des Romans, 2020, ist sie bereits dreifache Mutter. Die Tage bestehen aus endlosen To-Do-Listen, Kinder von A nach B bringen, aufräumen und Milch abpumpen. Eines Tages stolpert sie über das Gedicht aus ihrer Jugendzeit, dass in Irland so gut bekannt ist und über dessen Autorin man doch so wenig weiß. Und genau das stört Ní Ghríofa. In der englischen Übersetzung des gälischen Textes wird sie als Ehefrau von Art und Mutter von zwei Kindern beschrieben. Sonst steht da nichts über diese Frau, deren Text jedes Jahr von tausenden irischen Schüler:innen im Unterricht analysiert wird. Ní Ghríofa beschließt, dieser Frau eine Stimme zu geben. Sie macht sich auf die Suche nach den Spuren ihres Lebens, wühlt sich monatelang durch unzählige Archive und Tagebücher. Was sie nicht finden kann, tagträumt sie dazu, baut in die Leerstellen Räume, Gegenstände, Gefühle, die sie aus ihrem eigenen Leben und Muttersein kennt.

Das Gedicht begleitet sie durch Szenen ihres Alltags, und überall findet sie Parallelen zu dieser Frau, die vor hunderten von Jahren lebte. Sie spürt ihr Echo, spürt das Echo von so vielen Frauen und Müttern, die in den Archiven immer nur als Randfiguren auftauchen und mit denen sie so viel gemein hat.

„Ein Geist in der Kehle“ ist ein ungewöhnlicher, ein poetischer, ein großartiger Roman über das Frau-sein und mein spätes, aber absolutes Lesehighlight 2023. Doireann Ní Ghríofa findet eine Sprache, die einen im Innersten berührt, einen Ton, der im 18. Jahrhundert beginnt und durch die Seiten hindurch bis in die Gegenwart schallt. Bitte, bitte unbedingt lesen!

Übersetzt von Cornelius Reiber (Text) und Jens Friebe (Lyrik)

 

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