Dirk Stermann: “Mir geht’s gut, wenn nicht heute, dann morgen.”

Rezension von Carola Nikschick in der Kategorie Buchtipps

Es gibt immer wieder diese Bücher, die man nach dem letzten gelesenen Satz tief beeindruckt zuschlägt und einfach nur dankbar ist, sie gelesen zu haben.

„Mir geht’s gut, wenn nicht heute, dann morgen.“ von Dirk Stermann über seine Begegnung mit Erika Freeman ist eine ganz besondere Leseempfehlung.

Erika Freeman ist Jüdin, wurde 1927 in Wien geboren; als Zwölfjährige flüchtete sie allein vor dem Naziregime zu Verwandten nach New York, aber die wollten sie nicht. Sie kommt ins Waisenhaus, bringt sich selbst Englisch bei, studiert und wird eine der bekanntesten Psychoanalytikerinnen Amerikas. Als Zeitzeugin kommt sie immer wieder für das Projekt „Letter to the Stars“ in ihre Geburtsstadt Wien zurück und eines Abends ist sie in der Late-Night-Show „Willkommen Österreich“ bei Dirk Stermann zu Gast, der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Nach dieser Begegnung treffen sich die beiden jeden Mittwoch im Hotel Imperial; hier ist Erika Freeman seit ihrer Herzoperation und der Pandemie, die ihre Rückkehr nach New York verhinderte, der einzige Gast. “Meine Rache an Adolf Hitler…Er war nur einmal im Imperial. Ich wohne hier.“

Und die beiden führen Gespräche über Gott und die Welt und all das, was Erika Freeman erlebt hat. Sie erzählt von ihrer Mutter, die Wien nicht verlassen hat und die bei einem der letzten Bombenangriffe ums Leben kam. Von ihrem Vater, der in Theresienstadt war, für tot gehalten wurde und der ihr dann in New York an Jom Kippur auf dem Broadway über den Weg lief. Und sie erzählt vom Antisemitismus, den sie als Kind erlebte, den Menschen, denen sie begegnet ist, ihren Weggefährten und dem Leben, für das man immer etwas meschugge sein muss, denn sonst wird man verrückt.

Im Rahmen eines Festaktes erhält Erika Freeman an ihrem 95. Geburtstag die österreichische Staatsbürgerschaft zurück. Und am 08. Mai 2022, beim Fest der Freude, einem offiziellen Staatsakt zur Befreiung vom Nationalsozialismus, steht sie auf dem Heldenplatz in Wien an dem Ort, an dem Hitler den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich verkündet hatte und sagte, “I am still here, he is gone!”

Erika Freeman, eine kluge und empathische Frau, menschenfreundlich und mit einem absolut wunderbaren Humor, die sich bis heute unermüdlich gegen das Vergessen engagiert.

“Du bist ein Mensch und aus!” S.97

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