Clara Dupont-Monod: Brüderchen

Rezension von Carola Nikschick in der Kategorie Buchtipps

Einer trage des anderen Last.

Selten habe ich eine so berührende und emotionale Geschichte gelesen.
Clara Dupont-Monod hat mich mit „Brüderchen“, ihrer zärtlichen und leisen, aber lebendigen Sprache gleich mit den ersten Sätzen ins Herz getroffen.

„Eines Tages wurde in einer Familie ein unangepasstes Kind geboren. Und obwohl das ein etwas seltsames Wort ist, beschreibt es die Realität eines kraftlosen Körpers und eines beweglichen, leeren Blicks sehr gut.“
Das dritte Kind wird alles in dieser Familie verändern, denn es ist blind und wird nie laufen und sprechen lernen. Die Eltern werden bis zur Erschöpfung gegen bürokratische Mühlen kämpfen, oft verzweifelt sein und am Ende ihrer Kräfte. Der große Bruder wird das Kind hingebungsvoll umsorgen, sein Wohlergehen immer im Blick haben und sich selbst keinen Moment des Kindseins mehr erlauben. Die Sorge um seine Geschwister wird sein Leben immer begleitet.
Die Schwester wird sich verlassen fühlen, Wut und Einsamkeit, Scham und Angst wird sich in ihr ausbreiten. Sie wird versuchen, das Kind zu ignorieren, denn sie hat das Gefühl, das Kind hat ihr alles genommen. Und sie wird es sein, die zuerst spüren wird, dass die Familie unter der Last und dem Schmerz auseinanderzubrechen droht.
„Wer weiß schon um die Wandlungsfähigkeit der vom Leben gebeutelten, um ihre Gabe, stets ein neues Gleichgewicht zu finden? Wer weiß, welch gute Seiltänzer die vom Leid geprüften sind?“
Clara Dupont-Monod schaut mit einem außergewöhnlichen Blick auf das Schicksal einer Familie und ganz besonders auf die Kinder. Eine Familie, die von einer unglaublichen Liebe und Kraft über den Tod des Kindes ins Leben zurückgetragen wird, als nach Jahren noch einmal ein Bruder in diese verwundete Familie hineingeboren wird. Und er wird es sein, der der Familie den Frieden zurückbringt.
Es ist dieser achtsame Blick den sie aufeinander haben und die Kraft der Liebe, die sie trägt.
„Ein Versehrter, eine Aufmüpfige, ein Unangepasster und ein Zauberer. Das haben wir gut hingekriegt, finde ich.“

Eine Geschichte, deren Sätze, trotz so schwerer Themen, voller Herzenswärme von Verbundenheit, Hoffnung, Zuversicht und Mut erzählt.

Übersetzt aus dem Französischen von Sonja Finck

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