Anne Rabe: Die Möglichkeit von Glück

Rezension von Christiane Hoffmeister in der Kategorie Buchtipps

Wenn Du geredet hättest..

Wäre dann die Möglichkeit von Glück, nicht nur eine Möglichkeit geblieben. Diese Frage treibt mich um, seit ich das Buch von Anne Rabe gelesen habe. Stine wird 1986 in einem kleinen Ort in Mecklenburg-Vorpommern geboren. Aufwachsen wird sie also in einem wiedervereinigten Deutschland. Die DDR ist nur Geschichte für sie und wird es lange Zeit auch nur bleiben, denn die Familie schweigt. Die Großeltern, die Eltern, sie müssen mit den neuen Gegebenheiten klarkommen und sich ihrer Verantwortung in der Vergangenheit stellen. Doch das passiert nicht, es wird geschwiegen. Großvater Paul, der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist, nicht studieren konnte, aber in der DDR Schuldirektor und mehrfach ausgezeichnet wird, hat für alle Fragen, die Stine stellt, nur eine Antwort:”Nie wieder Faschismus”. Kann das wirklich alles rechtfertigen? Die Mutter, die auf Parteilinie stand und systemtreu war, drillt Stine und ihren Bruder Tim zum Schweigen. Nicht schreien, wenn sie zum Baden in das kochend heiße Wasser steigen muss. Nicht weinen, wenn sie alleine im Zimmer liegt und sich nach Nähe sehnt. Nicht aufmucken gegen die Lehrkräfte. Nie nachfragen. Dieses Schweigen, das Stine nichts erklärt. Nicht die Vergangenheit, aber auch nicht die die Gegenwart. Als sie erwachsen und selbst Mutter von zwei Kindern ist, beginnt sie in den Archiven zu wühlen und Antworten zu suchen. Anne Rabe ist schonungslos in ihrer Beschreibung, aber nie anklagend. Für mich war es mehr ein Aufruf. Lasst uns miteinander reden und Geschichte aufarbeiten, verschweigt nichts. Ich weiß es nicht, aber vielleicht lassen sich Traumata so besser verarbeiten und lassen die nächste Generation nicht sprachlos zurück. Die Möglichkeit von Glück, sie besteht.

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