Jessica Durlacher: Die Stimme

Rezension von Carola Nikschick in der Kategorie Buchtipps

Ein ganz besonders intensives Leseerlebnis!

„In was für einer merkwürdigen Welt sind wir gelandet, in der ein Gott einfach so den Auftrag erteilt, zu morden, wenn jemand nicht an ihn glaubt oder schlecht über ihn spricht, in der Freude und Humor der Angst zum Opfer fallen und der Tod, der echte, hässliche, gnadenlose Tod, als letztes Mittel der Abrechnung wiedereingeführt wird.“
Als Zelda und Bor während eine Reise in ihrer Lieblingsstadt New York endlich heiraten, werden sie und ihre drei Kinder Zeugen einer der großen Katastrophen der Neuzeit, die ihre eigene und die Welt aller Menschen für immer verändern wird. Ihr Hochzeitstag ist der 11. September 2001. Besonders in Zelda wächst die Angst vor dem Fremden und Neuen, die Unbeschwertheit und Neugier ist verschwunden. Der Schutz ihrer Familie, die Fürsorge stehen im Mittelpunkt. Bor, immer schon ein sehr ehrgeiziger Anwalt, stürzt sich regelrecht in seine Arbeit. Dann lernt Zelda eine junge Somalierin, die im benachbarten Flüchtlingsheim wohnt, kennen. Amal, sie ist klug und scharfsinnig, eine beeindruckende Schönheit und sie ist Muslimin. Nach anfänglichem zögern engagiert Zelda sie als Kindermädchen für ihre zwei Jüngsten. Und als Zelda und Bor erkennen, dass Amal ein unglaubliches Gesangstalent ist, überreden sie Amal zur Teilnahme an der Talentshow „Die Stimme“. Amals Auftritt, bei dem sie sich vor laufender Kamera von ihrer Abaya und ihrem Kopftuch befreit und eine brennende Rede für die Freiheit der Frauen hält, wird das Leben der Familie erneut auf dramatische Weise verändern. Eine Fatwa wird verhängt. Bodyguards engagiert. Es gibt keine wirkliche Sicherheit mehr. Amal erhebt ihre Stimme, und die Ereignisse überschlagen sich.
Eine vielschichtige Geschichte, in der Themen wie Glauben und Fanatismus, Freiheit und Mut, Vertrauen und Sicherheit, und Identität im Mittelpunkt stehen.
Besonders spannend fand ich, wie Jessica Durlacher Zelda als Ich-Erzählerin jede Situation analysieren, beinahe sezieren lässt. Und wie intensiv und feinfühlig alle Figuren charakterisiert werden.
Die Geschichte basiert auf Jessica Durlachers Begegnung mit der somalischen Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali.
Eine Geschichte, die mich noch lange beschäftigen wird.

Übersetzt von Annelie Bogener

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