Antje Rávik Strubel: Blaue Frau

Rezension von Janina Buschmann in der Kategorie Buchtipps

Adina mietet ein winziges Zimmer in Helsinki. Die junge Frau ist aus einem einzigen Grund in der finnischen Hauptstadt: Sie will sich an eine Hilfsorganisation für Frauen wenden und mit deren Hilfe Anzeige erstatten. Anzeige wegen einer Vergewaltigung, die ihr in Deutschland wiederfahren ist. Adina ist ursprünglich in Tschechien geboren und kommt mit der Hofnung auf ein Studium nach Berlin, wo sie durch Zufall Rickie begegnet. Die verschafft ihr einen Praktikumsplatz in einem Kulturhaus in der Uckermark. Und genau dort geschieht das Verbrechen, welches Adina als Schatten ihrer selbst zurücklässt. Von niemandem gehört oder ernst genommen flieht sie nach Finnland. Doch auch dort kann die junge Frau dem Trauma nicht entkommen, dem sie ohnmächtig gegenübersteht.

Antje Strubel zeichnet das Portät einer Frau mit einem Fuß über dem Abgrund. Adina erzählt ihre Geschichte in Bruchstücken, versucht irgendwie, die Fragmente ihrer Geschichte zu einem koherenten Ganzen zusammenzufügen. Ihre Seele und ihr Verstand scheinen verstreut, zerfasert, dünn und zum Zerreißen gespannt wie altes Papier. Das Trauma hält sie gefangen, lässt sie nicht los und zerfrisst sie innerlich. Sie versucht zu verarbeiten, was sich nicht verarbeiten lässt. Immer wieder begegnet sie dabei am Hafen der blauen Frau, einem Wesen, dass mit dem Weitblick der Zukunft auf ihre Vergangenheit zurückblickt, ihr eigenes Innerstes reflektiert, ihr aus der Dunkelheit zu helfen sucht. Adina sucht nach einem Ausweg, den es nicht zu geben scheint.

Antje Strubel schreibt in „Blaue Frau“ von der allgegenwärtigen Gewalt gegen Frauen, der Ohnmacht der Betroffenen, von der Ungerechtigkeit des Rechtssystems und dessen Unfähigkeit, den Opfern Gerechtigkeit zu verschaffen. Dieser Roman zieht einen langsam, aber sicher in seinen Bann, nimmt einen mit auf eine Odysse durch eine Geschichte, bei der man am Ende schreien möchte. Kein einfacher, aber ein unheimlich wichtiger Roman, der noch lange nachhallt.

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